Robert Minder ‹23. 8. 1902 Wasselonne / Elsaß – 10. 9. 1980 Cannes›

 

Robert Minder besuchte in Paris die École Normale Supérieure (zeitgleich mit Paul Nizan und Jean-Paul Sartre), wo er zusammen mit Kommilitonen die Groupe d’information international gründete, die dem Austausch deutscher und französischer Schriftsteller diente. Kurt Tucholsky, Thomas und Heinrich Mann gehörten zu den Autoren, die der Einladung der Gruppe folgten. Ab 1933 arbeitete Minder als Deutschlehrer in Grenoble und als Dozent an der Universität in Straßburg, dann in Nancy. Mit Ausbruch des Krieges war er für das von Jean Giraudoux geleitete «Anti-Propaganda-Ministerium», das Commissariat Général à l’Information, tätig, für das auch Alfred Döblin und Kurt Wolff arbeiteten. 1940 Flucht nach Cahors, ab 1943 im Untergrund, 1945 wieder an der Universität Nancy. 1948 war Minder Mitbegründer des Comité français d’échanges avec l’Allemagne nouvelle in Paris; 1950 wurde er Mitglied der Akademie der Wissenschaft und Literatur in Mainz.

 

Mit seinen Essaybänden zu Fragen der deutschen und der französischen Literatur, die in den sechziger und siebziger Jahren erschienen, gelangen Minder wahre Erfolgstitel, die sich zu zehntausenden Exemplaren verkauften. Das lag gewiß an Minders gewetztem und gewitztem Stil, aber wohl auch an seiner grundlegenden Haltung zur Literatur, die für ihn nie bloße Struktur sein konnte, sondern Lebenselixier war, eine «Komplizin» und «Trägerin kollektiver Leitbilder». Überaus erhellend und erfrischend seine Porträts von Jean Paul, Johann Peter Hebel, Friedrich Hölderlin. Sein Text ‹Heidegger und Hebel oder Die Sprache von Meßkirch› stößt in die gleiche Richtung wie der ‹Jargon der Eigentlichkeit› des befreundeten Adorno, aber ungleich angriffslustiger und in einem höchst angenehmen, gebührend polemischen Ton.

 

Zu Robert Minders wichtigsten Veröffentlichungen zählen: ‹Kultur und Literatur in Deutschland und Frankreich – Fünf Essays› (Insel 1962); ‹Dichter in der Gesellschaft – Erfahrungen mit deutscher und französischer Literatur› (Insel 1966); ‹Wozu Literatur? – Reden und Essays› (Suhrkamp 1971).