Johan Huizinga Homo ludens

 

Spiel ist älter als Kultur; denn so ungenügend der Begriff Kultur begrenzt sein mag, er setzt doch auf jeden Fall eine menschliche Gesellschaft voraus, und die Tiere haben nicht auf den Menschen gewartet, um von ihm erst das Spielen zu lernen. ¶

 

Die Tiere können spielen, also sind sie bereits mehr als mechanische Dinge. Wir spielen und wissen, daß wir spielen, also sind wir mehr als bloß vernünftige Wesen, denn das Spiel ist unvernünftig. ¶

 

Alles Spiel ist zunächst und vor allem ein freies Handeln. Befohlenes Spiel ist kein Spiel mehr. ¶

 

Damit hat man also ein erstes Hauptkennzeichen des Spiels: es ist frei, es ist Freiheit. Unmittelbar damit hängt ein zweites Kennzeichen zusammen. Spiel ist nicht das «gewöhnliche» oder «eigentliche» Leben. Es ist vielmehr das Heraustreten aus ihm in eine zeitweilige Sphäre von Aktivität mit einer eigenen Tendenz ... Das Spiel sondert sich vom gewöhnlichen Leben durch seinen Platz und seine Dauer. Seine Abgeschlossenheit und Begrenztheit bildet sein drittes Kennzeichen. Es «spielt» sich innerhalb bestimmter Grenzen von Zeit und Raum «ab». Es hat seinen Verlauf und seinen Sinn in sich selbst. ¶

 

Das Spiel nimmt sogleich feste Gestalt als Kulturform an. Wenn es einmal gespielt worden ist, bleibt es als geistige Schöpfung oder als geistiger Schatz in der Erinnerung haften, es wird überliefert und kann jederzeit wiederholt werden, sei es nun unmittelbar nach Beendigung, wie ein Kinderspiel, eine Partie Trick-Track, ein Wettlauf, oder nach langer Zwischenpause. Diese Wiederholbarkeit ist eine der wesentlichsten Eigenschaften des Spiels. ¶

 

Auffallender noch als seine zeitliche Begrenzung ist die räumliche Begrenzung des Spiels ... Die Arena, der Spieltisch, der Zauberkreis, der Tempel, die Bühne, die Filmleinwand, der Gerichtshof, sie sind allesamt der Form und Funktion nach Spielstätten, d. h. geweihter Boden, abgesondertes, umzäuntes, geheiligtes Gebiet, in dem besondere eigene Regeln gelten. Sie sind zeitweilige Welten innerhalb der gewöhnlichen Welt, die zur Ausführung einer in sich geschlossen Handlung dienen. Innerhalb des Spielplatz herrscht eine eigene und unbedingte Ordnung. Hier sieht man also noch einen neuen, noch positiveren. Es schafft Ordnung, ja es ist Ordnung. ¶

 

Der ästhetische Faktor ist vielleicht identisch mit dem Drang, eine geordnete Form zu schaffen, die das Spiel in allen seinen Gestalten belebt. Die Wörter, mit denen wir die Elemente des Spiels benennen können, gehören zum größten Teil in den Bereich des Ästhetischen. Es sind Wörter, mit denen wir auch Wirkungen der Schönheit zu bezeichnen suchen: Spannung, Gleichgewicht, Auswägen, Ablösung, Kontrast, Variation, Bindung und Lösung, Auflösung. Das Spiel bindet und löst. Es fesselt. Es bannt, das heißt: es bezaubert ... Unter den Bezeichnungen, die auf das Spiel angewendet werden können, nannten wir auch die Spannung. Dies Spannungselement spielt sogar eine ganz besonders wichtige Rolle in ihm. Spannung besagt: Ungewißheit, Chance. Es ist ein Streben nach Entspannung. Mit einer gewissen Anspannung muß etwas «glücken» ... Dieses Spannungselement eben teilt der Spielbetätigung, die an sich jenseits von Gut und Böse ist, doch einen gewissen ethischen Gehalt mit. ¶

 

Jedes Spiel hat seine eigenen Regeln. Sie bestimmen, was innerhalb der zeitweiligen Welt, die es herausgetrennt hat, gelten soll. Die Regeln eines Spiels sind unbedingt bindend und dulden keinen Zweifel. Paul Valéry hat es einmal beiläufig gesagt, und es ist ein Gedanke von ungemeiner Tragweite: Gegenüber den Regeln eines Spiels ist kein Skeptizismus möglich. ¶

 

Das Anderssein und das Geheime des Spiels findet seinen sichtbarsten Ausdruck in der Vermummung. In dieser wird «das Außergewöhnliche» des Spiels vollkommen. Der Verkleidete oder Maskierte «spielt» ein anderes Wesen. Er «ist» ein anderes Wesen. Kinderschreck, ausgelassene Lustigkeit, heiliger Ritus und mystische Phantasie gehen in allem, was Maske und Verkleidung heißt, unauflösbar durcheinander.

Der Form nach betrachtet kann man das Spiel also zusammenfassend eine frei Handlung nenne, die als «nicht so gemeint» und außerhalb des gewöhnlichen Lebens stehend empfunden wird und trotzdem den Spieler völlig in Beschlag nehmen kann, an die kein materielles Interesse geknüpft ist und mit der kein Nutzen erworben wird, die sich innerhalb einer eigens bestimmten Raums vollzieht, die nach bestimmten Regeln ordnungsgemäß verläuft und Gemeinschaftsverbände ins Leben ruft, die ihrerseits sich gern mit einem Geheimnis umgeben oder durch Verkleidung als anders als die gewöhnliche Welt herausheben. ¶

 

Das Spiel ist ein Kampf um etwas oder eine Darstellung von etwas. ¶

 

Die heilige Schaustellung ist mehr als eine Scheinverwirklichung, mehr auch als eine symbolische, sie ist eine mystische Verwirklichung. ¶

 

Mit dem Ende des Spiels ist aber seine Wirkung nicht abgelaufen; es wirft vielmehr auf die gewöhnliche Welt da draußen seinen Glanz und bewirkt für die Gruppe, die das Fest gefeiert hat, Sicherheit, Ordnung und Wohlstand, bis die heilige Spielzeit wieder da ist. ¶

 

Die heilige Handlung ist ein Dromenon, d. h. etwas, was getan wird. Was dargestellt wird, ist ein Drama, d. h. ein Handlung, gleichviel ob die Handlung in der Form einer Aufführung oder eines Wettkampfes vor sich geht. Sie stellt ein kosmisches Geschehen dar, aber nicht bloß als Repräsentation, sondern als Identifikation; sie wiederholt das Geschehene. ¶

 

Der ganze altindische Opferdienst der Veden beruht auf dem Gedanken, daß die Kulthandlung – sei sie nun Opfer, Wettkampf oder Darstellung – dadurch daß im Ritual ein gewisses gewünschtes kosmisches Ereignis vorgestellt, wiedergegeben oder verbildlicht wird, die Götter zwingt, dieses Ereignis wirklich geschehen zu lassen. ¶

 

Die archaische Gemeinschaft spielt so, wie das Kind spielt und wie die Tiere spielen. Dies Spiel ist von Anfang an erfüllt von den Elementen, die dem Spiel eigen sind: es ist voll von Ordnung, Spannung, Bewegung, Feierlichkeit und Begeisterung. Erst in einer späteren Phase der Gesellschaft verbindet sich mit diesem Spiel die Vorstellung, daß in ihm etwas ausgedrückt wird: eine Vorstellung vom Leben ... Der Kult pfropft sich auf das Spiel auf, das Spielen an sich aber war das Primäre. ¶

 

Man überdenke einmal einen Augenblick die folgende Stufenfolge. Das Kind spielt in vollkommenem – man kann mit vollem Rechte sagen – heiligem Ernst. Aber es spielt und weiß, daß es spielt. Der Sportsmann spielt mit hingebendem Ernst und mit dem Mut der Begeisterung. Er spielt und weiß, daß er spielt. Der Schauspieler geht in seinem Spiel auf. Trotzdem spielt er und ist sich bewußt, daß er spielt. Der Geiger erlebt heiligste Erregung, er erlebt eine Welt außerhalb und über der gewöhnlichen, und dennoch bleibt sein Tun ein Spiel. Der Spielcharakter kann den erhabensten Handlungen eigen bleiben. Kann man nun die Linie bis zur Kulthandlung weiterziehen und behaupten, daß auch der Opferpriester, indem er sein Ritual vollzieht, ein Spielender bleibt? Wer dies von einer einzigen Religion zugibt, gibt es von allen zu. Die Begriffe Ritus, Magie, Liturgie, Sakrament und Mysterium würden dann alle in den Geltungsbereich des Spiels kommen. Hier muß man sich hüten, den inneren Zusammenhang des Spielbegriffs nicht zu überspannen. Es würde ein Spiel mit den Worten werden, wenn wir den Begriff Spiel zu sehr dehnten. Ich glaube aber, wir verfallen dem nicht, wenn wir die heilige Handlung als Spiel bezeichnen. Der Form nach ist sie es in jeder Hinsicht, und dem Wesen nach ist sie es, insoweit sie die Teilnehmer in eine andere Welt versetzt. Für Plato war diese Identität von Spiel und heiliger Handlung ohne Vorbehalt gegeben. Er scheute sich nicht, die geweihten Dinge in die Kategorie des Spiels einzubeziehen. «Man muß Ernst machen mit dem Ernsten», heißt es bei ihm (Leges VII), «und es ist Gott, der alles seligen Ernstes wert ist, der Mensch aber ist dazu gemacht, ein Spielzeug Gottes zu sein, und das ist wirklich das Beste an ihm. So muß denn jedermann, ein Mann so gut wie eine Frau, dieser Weise folgend und die schönsten Spiele spielend das Leben leben, gerade umkehrt gesinnt als jetzt.» «Sie halten ja den Krieg», so fährt er fort, «für ein ernsthaftes Ding ... im Kriege aber gibt es weder nennenswertes Spiel noch nennenswerte Bildung, was wir doch das Ernsthafteste nennen. Das Friedensleben also muß ein jeder so gut wie möglich verbringen. Wie ist dann die rechte Weise? Spielend muß es gelebt werden, gewisse Spiele spielend, opfernd, singend und tanzend, um die Götter gnädig stimmen und die Feinde abwehren und im Kampfe besiegen zu können.»

In dieser platonischen Identifizierung von Spiel und Heiligkeit wird nicht das Heilige dadurch heruntergezogen, daß es Spiel genannt wird, sondern das Spiel wird dadurch emporgehoben, daß man diesen Begriff bis in die höchsten Regionen des Geistes hinein gelten läßt. Wir sagten zu Anfang, daß Spiel vor aller Kultur vorhanden war. Es bleibt auch in gewissem Sinne über aller Kultur schweben oder bleibt wenigstens frei von ihr. Der Mensch spielt als Kind zum Vergnügen und zur Erholung unterhalb des Niveaus des ernsthaften Lebens. Er kann auch über diesem Niveau spielen: Spiele der Schönheit und Heiligkeit. ¶

 

Ob man nun Zauberer oder Bezauberter ist, man ist selbst zugleich wissend und betrogen. Aber man will der Betrogene sein. ¶

 

Spiel ist etwas Eigenes. Der Begriff Spiel als solcher ist höherer Ordnung als der des Ernstes. Denn Ernst sucht Spiel auszuschließen, Spiel jedoch kann sehr wohl den Ernst in sich einbeschließen. ¶

 

Mit dem Ausdruck «Spielelement der Kultur» ist hier nicht gemeint, daß unter den verschiedenen Betätigungen des Kulturlebens den Spielen eine wichtige Stelle vorbehalten ist, auch nicht, daß Kultur durch einen Entwicklungsprozeß aus Spiel hervorgeht, in der Weise, daß etwas, was ursprünglich Spiel war, später in etwas übergegangen wäre, was nicht mehr Spiel ist und nun Kultur genannt werden kann. Im folgenden soll vielmehr gezeigt werden, daß Kultur in Form von Spiel entsteht, daß Kultur anfänglich gespielt wird. Auch die Beschäftigung, die geradeswegs auf die Befriedigung von Lebensbedürfnissen abzielen, z. B. die Jagd, nehmen in der archaischen Gesellschaft gern Spielform an. Das Gemeinschaftsleben erhält seine Ausstattung mit überbiologischen Formen, die ihm höheren Wert verleihen, in Gestalt von Spielen. In diesen Spielen bringt die Gemeinschaft ihre Deutung des Lebens und der Welt zum Ausdruck. Dies ist nicht so zu verstehen, daß Spiel in Kultur umschlägt oder sich in Kultur umsetzt, vielmehr daß der Kultur in ihren ursprünglichen Phasen etwas Spielmäßiges eigen ist, ja daß sie in den Formen und der Stimmung eines Spiels aufgeführt wird. In der Zwei-Einheit von Kultur und Spiel ist das Spiel die primäre, objektiv-wahrnehmbare, konkret bestimmte Tatsache, während Kultur nur die Bezeichnung ist, die unser historisches Urteil dem gegebenen Fall anheftet. ¶

 

Wettstreit und Schaustellung gehen also nicht als Lustbarkeiten aus der Kultur hervor, sie gehen ihr vielmehr voran. ¶

 

Der Schah von Persien, der bei einem Besuch in England dankend abgelehnt haben soll, einem Wettrennen beizuwohnen, mit der Begründung, «er wüßte ja, daß das eine Pferd schneller liefe als das andere», hatte von seinem Standpunkte aus völlig recht. Er weigerte sich, sich in eine ihm fremde Spielsphäre zu begeben, er wollte Außenseiter bleiben. ¶

 

Was heißt Gewinnen? Was wird gewonnen? – Gewinnen heißt: «im Ausgang eines Spiels sich als der Überlegene erweisen.» Die Gültigkeit dieser offenbar gewordenen Überlegenheit hat jedoch die Neigung, sich zu einem Überlegenscheinen im allgemeinen auszuweiten. Und hiermit ist etwas mehr gewonnen als das Spiel selbst. Man hat Ansehen gewonnen, Ehre davongetragen, und diese Ehre und dieses Ansehen kommen stets unmittelbar der ganzen Gruppe zugute, der der Gewinnende angehört. Hierin liegt wiederum eine sehr bedeutsame Eigenschaft des Spiels: Der im Spiel errungene Erfolg ist in hohem Grade vom einzelnen auf die Gruppe übertragbar. Bedeutsamer aber noch ist der folgende Zug: Im agonalen Instinkt hat man es nicht in erster Linie mit Machthunger oder mit dem Willen zu herrschen zu tun. Primäre ist das Verlangen, den anderen zu übertreffen, der erste zu sein und als solcher geehrt zu werden. Die Frage, ob in Folge davon die Einzelperson oder die Gruppe ihre Macht erweitert, kommt erst an zweiter Stelle an die Reihe. ¶

 

Die Unbestimmtheit der Grenzen zwischen Spiel und Ernst kommt nirgends so stark zum Ausdruck wie im folgenden: Man spielt im Roulettetisch und man «spielt an der Börse». Im ersten Fall wird der Spieler zugeben, daß sein Handeln Spielen ist, im zweiten nicht. Kaufen und Verkaufen mit der Hoffnung auf unsichere Aussichten von Preissteigerung oder Preissenkung gilt als ein Teil des «Geschäftslebens», der ökonomischen Funktion der Gemeinschaft. In beiden ebengenannten Fällen ist das Streben, Gewinn zu machen, maßgebend. Im ersten wird im allgemeinen die reine Zufälligkeit der Chance zugestanden, wenn auch nicht völlig, denn es gibt ja «Systeme», um zu gewinnen. Im anderen Falle macht sich der Spieler irgendeinen Wahn vor, er könne die zukünftige Tendenz des Marktes berechnen. Der Unterschied der Geisteshaltung ist äußerst gering.

In diesem Zusammenhang verdient es Beachtung, daß zwei Arten von Handelsübereinkünften auf die Aussicht späterer Erfüllung hin geradeswegs aus der Wette herausgewachsen sind, so daß man hat zweifeln können, ob hier das Spiel oder das ernsthafte Interesse das Primäre ist. Sowohl in Genua wie in Antwerpen sieht man am Ende des Mittelalters den Terminhandel und die Lebensversicherung in der Form von Wetten auf künftige Möglichkeiten nicht wirtschaftlicher Art aufkommen. Man schließt Wetten ab «auf Leben und Sterben von Personen, Reisen oder Wallfahrten, Geburt von Jungen oder Mädchen, oder aber auf Einnahmen etlicher Länder, Plätze oder Städte» (van Neulighem). Solche Übereinkünfte sind auch dort, wo sie bereits einen völlig merkantilen Charakter angenommen hatten, zu wiederholten malen als unerlaubte Glücksspiele verboten worden, u. a. durch Karl V. Auf die Wahl eines neuen Papstes wurde genau so wie bei einem heutigen Rennen gewettet. Noch im siebzehnten Jahrhundert waren Terminhandelsgeschäfte als «Wetten» bekannt. ¶

 

Jeder Platz, wo Recht gesprochen wird, ist ein echter Temenos, ein geweihter Platz, der aus der gewöhnlichen Welt herausgeschnitten und abgesteckt ist. Das «Ding» wird gehegt und gebannt. Das Gericht ist ein richtiger Zauberkreis, ein Spielplatz oder Spielraum, in dem der gewohnte Rangunterschied zwischen den Menschen zeitweilig aufgehoben ist ... Das englische Oberhaus ist im Grunde noch immer ein Gerichtshof, woher es auch kommt, daß der «Wollsack», der Sessel des Lordkanzlers, der dort eigentlich nichts zu suchen hat, als «technically outside the precincts of the House» gilt.

Die britische Welt hat in einer Ehrfurcht vor der Tradition, die ihr ja so eigen ist, noch andere sehr alte Züge im Recht bewahrt. Das Element des Sports und des Humors, das im Gerichtsverfahren dort stets so besonders stark im Schwange ist, gehört zu den Grundzügen des Rechtslebens im allgemeinen. ¶

 

Der Rechtshandel ist ein Streit um Recht und Unrecht, um Gewinnen und Verlieren. Wenn wir nun unseren Blick von der Ausübung des Rechts in hochentwickelten Kulturformen auf die Rechtspflege in minder fortgeschrittenen Kulturstufen zurückwenden, sehen wir, wie die Idee des Gewinnens und Verlierens, d. h. der rein agonale Gedanke – die Idee von Recht und Unrecht, also den ethisch-juridischen Gedanken, gewissermaßen überschattet. Das Element der Aussicht auf Gewinnen und damit unmittelbar auch das Spielelement tritt immer mehr in den Vordergrund, je mehr wir uns in ein primitives Rechtsbewußtsein versetzen. Eine Gedankensphäre scheint sich vor uns aufzutun, in der die Begriffe der Entscheidung durch Orakel, durch Gottesurteil, durch Loswerfen, also durch ein Spiel – denn die unumstößliche Endgültigkeit der Entscheidung beruht einzig und allein auf einer Spielregel – und der Begriff der Entscheidung durch Richterspruch noch einen einzigen Komplex bilden. ¶

 

Wenn ein Eskimo gegen einen anderen eine Beschwerde hat, fordert er ihn zu einem Trommelwettstreit oder Liederwettkampf (Trommesang, drum-match, drum-dance, song-contest) heraus. Der Stamm oder Klan versammelt sich in einem festlichen Treffen, aufs schönste herausgeputzt und in fröhlicher Stimmung. Die beiden Gegner singen einander abwechselnd Schmählieder unter Trommelbegleitung vor, in denen sie sich gegenseitig ihre Missetaten vorwerfen. Dabei wird zwischen begründeter Beschuldigung, zum Lachen reizende Satire und gemeiner Verleumdung kein Unterschied gemacht. Ein Sänger zählte z. B. alle die Menschen auf, die während einer Hungersnot von der Frau und der Schwiegermutter seiner Gegenpartei aufgefressen worden waren, was die Gesellschaft sich so zu Herzen nahm, daß sie in Tränen ausbrach. Das Aufeinanderlossingen wird von körperlichen Quälereien und Mißhandlungen begleitet: Man schnaubt oder pustet dem anderen direkt ins Gesicht, man stößt ihn mit der Stirne an, man sperrt ihm den Mund auf, man bindet ihn an den Zeltpfahl fest, und alles das muß der «Beschuldigte» sich äußerst geruhig und sogar mit spöttischem Lachen gefallen lassen. Die Zuschauer singen die Refrains der Lieder mit, sie klatschen Beifall und hetzen die Parteien noch mehr auf. Andere wieder sitzen dabei und schlafen. Während der Pausen behandeln die Parteien einander als gute Freunde. Solche Kampfsitzungen können sich über Jahre erstrecken. Die Parteien denken sich immer neue Lieder aus und bringen neue Missetaten vor. Zum Schluse entscheiden die Zuhörer, wer als Gewinner anzusehen ist. Darauf wird in manchen Fällen die Freundschaft wiederhergestellt, es kommt aber auch vor, daß eine Familie aus Scham über die Niederlage auswandert. Man kann mehrere Trommelwettstreite zu gleicher Zeit laufen haben. Auch Frauen nehmen an ihnen teil. ¶

 

Die Phase, in der die Prozeßrede und der Schmähwettstreit nicht voneinander zu scheiden sind, war übrigens in der klassischen Kulturepoche noch nicht ganz vorüber. Die Kunst der Gerichtsrede stand bei den Athenern der Blütezeit noch völlig im Zeichen eines rhetorischen Geschicklichkeitswettstreits, in dem alle Kunstgriffe und jegliches Mittel der Überredung erlaubt war. Das Gericht und die politische Tribüne galten als die Stelle, wo die Überredungskunst hingehörte. Diese Kunst machte zusammen mit Kriegsgewalt, Raub oder Tyrannei die «Jagd auf den Menschen» aus, deren Definition die Sprechenden in Platos Sophistes aufstellen. Die Sophisten lehrten für Geld, wie man eine schwache Stelle stark machen könne. Ein junger Politiker pflegte seine Laufbahn mit der Anklage in einem Skandalprozeß zu beginnen.

Auch in Rom galt vor Gericht noch lange jedes Mittel, die Gegenpartei zu Fall zu bringen, als erlaubt. Man hüllte sich in Trauerkleider, man seufzte und klagte, man berief sich laut auf das Heil des Staates, man brachte möglichst viele Klienten mit, um mehr Eindruck zu machen, kurzum: man tat all das, was man auch jetzt noch zuweilen tut. Die Stoiker suchten der Beredsamkeit vor Gericht diesen Spielcharakter zu nehmen und sie mit ihren strengen Normen von Wahrheit und Würde in Einklang zu bringen. Aber der erste, der diese neue Gesinnung in die Praxis umsetzen wollte, Rutilius Rufus, verlor seinen Prozeß und mußte in die Verbannung gehen. ¶

 

Vom Kriege kann man solange als Kulturfunktion reden, als er innerhalb eines Kreises geführt wird, in dem die einzelnen Glieder einander als gleichberechtigt anerkennen. Führt man Krieg gegen Gruppen, die man im Grunde nicht als Menschen anerkennt oder denen man wenigstens keine Menschenrechte zubilligt, ob man sie nun «Barbaren», «Teufel», «Heiden» oder «Ketzer» nennt, dann kann er nur insoweit innerhalb der Grenzen der Kultur bleiben, wie sich die Gruppe um ihrer eigenen Ehre willen selbst gewisse Beschränkungen auferlegt. Bis in jüngste Zeit konnte der Krieg unter dem Aspekt einer Kulturfunktion betrachtet werden, solange eine Gemeinschaft die andere als «Menschheit» mit Rechten und Ansprüchen auf Behandlung als «Menschen» anerkannte und den Kriegszustand deutlich und ausdrücklich – durch eine Kriegserklärung – vom Friedenszustand einerseits und von verbrecherischer Gewalt andererseits schied. Erst die Theorie des totalen Krieges verzichtet auf den letzten Rest des Spielmäßigen im Kriege. ¶

 

Die angeborene Sucht, der erste sein zu wollen, treibt auch dann die Gruppen gegeneinander und kann sie in wahnsinniger Selbstüberhebung zu nie erreichten Höhen der Verblendung und Betörung führen. Ob man nun der veralteten Doktrin huldigt, die in den wirtschaftlichen Verhältnissen die bewegende Kraft der Geschichte sieht, oder ob man ganz neue Weltanschauungen aufstellt, um jener Sucht Form und Namen zu geben, im Grunde ist es immer bloß ums Gewinnen zu tun, wenn man weiß, daß dies «Gewinnen» kein «Gewinn» mehr sein kann. ¶

 

Der Drang, sich als erster zu erweisen, äußert sich in so vielen Formen, wie die Gesellschaft Möglichkeiten dafür bietet. Man kämpft miteinander auf ebensoviele verschiedene Weisen, wie es Dinge gibt, um die gekämpft wird. ¶

 

Das Leben ist der Einsatz, das Leben steht auf dem Spiele. Diesem Zuge entspricht, daß es als höchste Weisheit gilt, eine Frage zu stellen, die niemand beantworten kann. ¶

 

Bei den Griechen war das Aufgeben von Aporien als Gesellschaftsspiel beliebt, d. h. das Aufgeben von Fragen, auf die keine abschließende Antwort zu finden ist. Sie können als eine abgeschwächte Form des Halsrätsels angesehen werden. Die schicksalsschwangere Frage der Sphinx schimmert sozusagen noch immer durch das Spiel hindurch: Im Prinzip bleibt Verwirkung des Lebens der Einsatz. Ein typisches Beispiel für die Weise, wie die spätere Überlieferung das Motiv des Halsrätsels verarbeitet hat, so daß der sakrale Hintergrund sich noch deutlich verrät, bietet die Geschichte von der Begegnung Alexanders mit den indischen Gymnosophisten. Nach der Eroberung einer Stadt, die ihm Widerstand geleistet hat, läßt Alexander die zehn Weisen vor sich kommen, die zum Kampf gegen ihn geraten haben. Er will ihnen unlösbare Fragen stellen. Wer die schlechteste Antwort gibt, soll zuerst sterben. Einer von ihnen soll dies beurteilen. Urteilt er gut, dann rettet er damit sein Leben. Die Fragen haben zu einem großen Teil den Charakter kosmologischer Dilemmata, spielerischer Varianten der heiligen Rätsel der vedischen Hymnen. Welche sind mehr: die Lebenden oder die Toten? – Was ist größer: das Meer oder die Erde? – Wer war eher: der Tag oder die Nacht? Die Antworten, die darauf gegeben werden, sind eher logische Kunstgriffe als mystische Weisheit. Als am Schluß einer auf die Frage, wer am schlechtesten geantwortet hat, den Spruch fällt: «immer einer schlechter als der andere», hat er damit den ganzen Plan vereitelt: es darf niemand getötet werden. ¶

 

Die Griechen sind sich in späterer Zeit eines gewissen Zusammenhangs des Rätselspiels mit den Ursprüngen der Philosophie noch recht gut bewußt gewesen. Klearchos, der Schüler Aristoteles, gab in einem Traktat über die Sprichwörter eine Theorie des Rätsels und bezeugt, daß es einmal Gegenstand der Philosophie gewesen sei: «die Alten pflegten damit eine Probe ihrer Bildung (paideia) zu geben», was sich deutlich auf die Art von philosophischen Rätselübungen bezieht, die wir oben kennen lernten. Und es ist tatsächlich nicht allzu mühsam und weit hergeholt, wenn man eine Linie von den uralten Rätselfragen bis zu den ersten Leistungen der griechischen Philosophen zieht. ¶

 

Während Religion, Wissenschaft, Recht, Krieg und Politik in höher organisierten Formen der Gesellschaft die Berührung mit dem Spiel, die sie in frühen Stadien der Kultur offenbar in so reichlichem Maße hatten, nach und nach zu verlieren scheinen, bleibt das Dichten, das in der Spielsphäre geboren ist, immerfort in dieser zu Haus. Poiesis ist eine Spielfunktion. Sie geht in einem Spielraum des Geistes vor sich, in einer eigenen Welt, die der Geist sich schafft. Dort haben die Dinge ein anderes Gesicht als im «gewöhnlichen Leben» und sind durch andere Bande als logische aneinander gebunden. Wenn man Ernst als das auffaßt, was sich in Worten des wachen Lebens schlüssig ausdrücken läßt, dann wird Dichtung niemals vollkommen ernsthaft. Sie steht jenseits vom Ernst, auf jener ursprünglicheren Seite, wo das Kind, das Tier, der Wilde und der Seher hingehören, im Felde des Traumes, des Entrücktseins, der Berauschtheit und des Lachens. ¶

 

Alles, was Dichtung ist, erwächst im Spiel: im heiligen Spiel der Gottesverehrung, im festlichen Spiel der Werbung, im streitbaren Spiel des Wetteifers mit Prahlen, Schimpf und Spott, im Spiel des Scharfsinns und der Fertigkeit. ¶

 

Für den Wilden mit seiner beschränkten logischen Ordnung der Welt ist eigentlich noch alles möglich. Mit allen seinen Absurditäten und Enormitäten, mit seiner maßlosen Übertreibung und Verwirrung der Verhältnisse, mit seinen unbekümmerten Inkonsequenzen und spielerischen Varianten stört ihn der Mythus nicht als etwas Unmögliches. Man möchte sich aber fragen, ob nicht auch für den Wilden von Anfang an mit seinem Glauben an seine heiligsten Mythen ein gewisses Element von humoristischer Auffassung verbunden ist. ¶

 

Sobald der Mythus Literatur geworden ist, d. h. in fester, überlieferter Form von einer Kultur weitergetragen wird, die sich inzwischen aus der Sphäre der Verbildlichung des Wilden gelöst hat, kommt es dazu, daß er der Unterscheidung zwischen Ernst und Spiel unterworfen wird. Er ist heilig, also muß er ernst sein. ¶

 

Alles Sprechen ist Ausdruckgeben in Bildern. Die Kluft zwischen dem objektiv Existenten und dem Verstehen kann nur dadurch überbrückt werden, daß der Funke der Verbildlichung überspringt. Der an Worte gekoppelte Begriff muß doch stets dem Fließen des Lebensstromes inadäquat bleiben. Das verbildlichende Wort hüllt die Dinge in Ausdruck, durchleuchtet sie mit den Strahlen des Begriffs. Während nun die Sprache des gewöhnlichen Lebens als ein praktisches und gangbares Instrument den Bildcharakter aller Worte fortwährend abschleift und eine scheinbar strikt logische Selbständigkeit annimmt, kultiviert die Dichtung den bildhaften Charakter der Sprache mit Absicht immerfort weiter. ¶

 

Was die poetische Sprache mit den Bildern tut, ist ein Spiel. Sie ordnet sie in stilvollen Reihen, sie legt ein Geheimnis in sie hinein, so daß ein jedes Bild spielend auf ein Rätsel Antwort gibt. ¶

 

Moderne lyrische Richtungen, die sich absichtlich im nicht allgemein Zugänglichen bewegen und den Sinn gern in ein Wort verrätseln, bleiben somit dem Wesen ihrer Kunst vollkommen treu. Mit einem engen Kreis von Lesern, der ihre Sprache versteht, zumindest kennt, bilden sie eine geschlossene Kulturgruppe von sehr altem Typus. Es bleibt nur fraglich, ob die sie umgebende Kultur ihre Lage genügend zu würdigen vermag und anerkennt, um der Boden zu werden, auf dem ihre Kunst die vitale Funktion ausüben kann, die ihren Daseinsgrund bildet. ¶

 

Der Mensch dichtet, weil er in Gemeinschaft spielen muß. ¶

 

Emile Faguet erwähnt irgendwo «das Körnchen Unsinn, das dem modernen Lyriker nötig ist». Dies gilt aber nicht allein vom heutigen Lyriker; es ist das Wesen der Lyrik selbst, sich außerhalb der Bindungen des logischen Verstandes zu bewegen. Ein Grundzug der lyrischen Verbildlichung ist die Neigung zu wahnsinniger Übertreibung. Dichtung muß exorbitant sein. Im unsinnig kühnen Bilde begegnen einander die Phantasie der kosmogenischen und mythischen Rätsel des Rigveda und die poetische Bildersprache Shakespeares, der durch alle Tradition des Klassizismus und der Allegorie hindurchgegangen war und den Impetus des archaischen Vates bewahrt hatte. ¶

 

Die Sucht, die Vorstellung durch eine Phantasie unermeßlicher Quantitäten oder Qualitäten so betäubend wie möglich zu machen, wirkt sich übrigens nicht ausschließlich als poetische Funktion und in lyrischer Form aus. Dieses Bedürfnis nach Maßlosem ist ja eine typisch spielhafte Funktion. Sie ist dem Kinde eigen und wird vom Geisteskranken wiedergefunden, wie sie auch ebenso stets den literarischen Bearbeitern des Mythus und der Heiligenleben lieb und teuer gewesen ist. Ein dreijähriges Mädchen wünschte sich einen wollenen Affen. Wie groß muß er sein? – Bis zum Himmel. – Ein Kranker sagt zu seinem Irrenarzt: «Herr Doktor, ich werde gleich nachher in einem Wagen abgeholt.» Der Arzt: «Sicherlich in keinem gewöhnlichen Wagen?» – «In einem goldenen.» – «Und wie ist er bespannt?» – «Mit vierzig Millionen diamantenen Hirschen.» Mit ähnlichen Qualitäten und Ziffern arbeitet die buddhistische Legende. Die altindische Legende läßt den Asketen Cyavana bei seiner Tapas-Übung ganz in einem Ameisenhaufen verborgen sitzen, in dem man nur seine Augen als kleine feurige Kohlen sieht. Viśvāmitra steht tausend Jahre lang auf seinen Zehen. In diesem Zusammenhang des Spielens mit wunderbaren Ausmaßen oder Ziffern gehört auch ein gutes Teil aller Riesen- und Zwergenverbildlichung, vom Mythus bis zu Gulliver. Thor und seine Gesellen finden in einem sehr großen Schlafsaal eine Nebenkammer, in der sie übernachten. Am nächsten Morgen stellt sich heraus, daß es der Daumen des Handschuhs des Riesen Skrymir gewesen ist. Die Sucht nach einem staunenerregenden Effekt durch grenzenlose Übertreibung oder Verwirrung von Ausmaßen und Verhältnissen muß m. E. niemals vollkommen ernsthaft aufgefaßt werden, gleichviel, ob wir sie in Mythen, die einen Bestandteil eines Glaubenssystems bilden, oder in rein literarischen oder aber echt kindlichen Phantasieerzeugnissen antreffen. In allen diesen Fällen hat man es mit demselben Spieltrieb des Geistes zu tun. Man stellt sich den Glauben des archaischen Menschen an die Mythen, die sein Geist schafft, unwillkürlich immer noch zu sehr nach den Maßstäben moderner wissenschaftlicher, philosophischer oder dogmatischer Überzeugung vor. Ein halb scherzendes Element ist vom echten Mythus nicht zu trennen. ¶

 

Das Epos verliert seine Verbindung mit dem Spiel, sobald es nicht mehr in festlicher Gesellschaft vorgetragen wird und nur noch zum Lesen bestimmt ist. Auch die Lyrik wird kaum mehr als eine Spielfunktion begriffen, wenn man einmal ihre Verbindung mit der Musik hat fahren lassen. Einzig das Drama behauptet dadurch, daß seine Eigenschaft, Handlung zu sein, sich immer gleich bleibt, seinen festen Zusammenhang mit dem Spiel. ¶

 

Kultur in ihren ursprünglichen Phasen wird gespielt. Sie entspringt nicht aus Spiel, wie eine lebende Frucht sich von ihrem Mutterleib löst, sie entfaltet sich in Spiel und als Spiel. ¶

 

Das neunzehnte Jahrhundert scheint für die Spielfunktion im Kulturprozeß wenig Platz zu lassen. Tendenzen, die diese Funktion auszuschließen scheinen, haben mehr und mehr überhand genommen. Schon im achtzehnten Jahrhundert war der nüchterne, prosaische Nützlichkeitsbegriff – der für die Idee des Barock tödlich war – und das bürgerliche Wohlfahrtsideal über den Geist der Gesellschaft gekommen. Gegen Ende diese Jahrhunderts begann die industrielle Umwälzung mit ihrer stets steigenden technischen Auswirkung diese Tendenz zu verstärken. Arbeit und Produktion wurden zum Ideal und bald zum Idol. Europa zieht das Arbeitskleid an. Gesellschaftssinn, Bildungsstreben und wissenschaftliche Beurteilung wurden die Dominanten des Kulturprozesses. Je weiter die gewaltige industrielle und technische Entwicklung von der Dampfmaschine zur Elektrizität fortschreitet, um so mehr bringt sie die Illusion zustande, daß der Fortschritt der Kultur in dieser Entwicklung besteht. Als Folge davon kann der beschämende Irrtum aufgebracht werden und Eingang finden, daß wirtschaftliche Kräfte und das wirtschaftliche Interesse den Gang der Welt bestimmten. Die Überschätzung des wirtschaftlichen Faktors in der Gesellschaft und im menschlichen Geist war in gewissem Sinn die natürliche Frucht des Rationalismus und Utilitarismus, die das Mysterium gemordet und den Menschen von Schuld und Sünde freigesprochen hatten. Man hatte vergessen, ihn gleichzeitig auch von Torheit und Kurzsichtigkeit zu befreien, und er schien bestimmt und geeignet, die Welt nach dem Muster seiner eigenen Banalität selig zu machen. ¶

 

Nichts ist leichter, als jeder Wissenschaft auf Grund ihrer Isolierung innerhalb der Grenzen ihrer Methoden und ihres Begriffs einen Spielcharakter zuzuerkennen. ¶

 

Der wahre Drang nach Kenntnis der Wahrheit durch die Forschung schätzt den Triumph über einen Gegner gering. ¶

 

Echte Kultur kann ohne einen gewissen Spielgehalt nicht bestehen, denn Kultur setzt eine gewisse Selbstbeschränkung und Selbstbeherrschung voraus, eine gewisse Fähigkeit, in ihren eigenen Tendenzen nicht das Äußerste und Höchste zu sehen, kurzum, zu erkennen, daß sie innerhalb gewisser freiwillig anerkannter Grenzen eingeschlossen ist. ¶

 

 

‹J. H., Homo ludens – Versuch einer Bestimmung des Spielelements der Kultur. Aus dem Niederländischen von Hans Nachod, Pantheon Akademische Verlagsanstalt: Amsterdam (4. Auflage) 1940›